VVS-Tariferhöhung zu verhindern wäre mit Grünen und den Kreistagen möglich gewesen
„Der Verkehrsausschuss der Region hat mit knapper Mehrheit den Kreistagen die Möglichkeit verbaut, die Preiserhöhung für VVS-Tickets zu verhindern.“
Das ist laut Kai Buschmann, dem Vorsitzenden der FDP-Regionalfraktion, eine Sicht auf das Ergebnis der Abstimmung im regionalen Verkehrsausschuss: 10 von 31 Regionalräten und -rätinnen waren gegen die Tariferhöhung, die Mehrheit winkte die Kostensteigerung durch. Man kann’s aber auch so sehen: „Alle Kreistage sind jetzt frei, mit einem Nein zur Tariferhöhung wenigstens ein politisches Zeichen zu setzen, dass weder S-Bahn-Qualität noch -Leistung unseren Ansprüchen genügen.“ Denn die gern beschworene Gefahr für Einnahmeausfälle einstehen zu müssen, besteht nicht: „Mit ihren 15 Prozent in der Gesellschafterversammlung erreichen die Kreise die nötige Sperrminoriät nicht.“ Ausschlaggebend für das „Ja“ zur Tariferhöhung im Verkehrsausschuss waren die grünen Stimmen. „Deren Zustimmung hat uns echt überrascht“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Regionalfraktion, Armin Serwani. Denn vor einem Jahr hatten die Grünen noch gegen die Tariferhöhung gestimmt. „Wer hätte gedacht, dass die umfallen.“
„Wir können dem nicht zustimmen, weil wir nicht zufrieden sind mit dem Angebot der S-Bahn, in der Pünktlichkeit wurde die Leistung nicht erbracht, das verträgt sich nicht gut, wenn wir die Tarife erhöhen.“ Das Zitat stammt von Sprecherin Eva Mannhardt (Grüne), ist allerdings ein Jahr alt und aus der Tarifdiskussion vom 24. Juni 2015. Etwas über ein Jahr später, sind nach Meinung von SPD, Linken, FDP und AfD die Zustände noch schlimmer. Aber die Chance zur einem demonstrativen Tarifstopp, die durch das „Nein“ der FDP-Regionalräte Armin Serwani und Gudrun Wilhelm bestanden hätte, verstrich: „Das ist eine sehr moderate Tariferhöhung, die nehmen wir zur Kenntnis“, sagte die gleiche Eva Mannhardt (Grüne) vor der Entscheidung 2016. Damit fehlten die grünen Stimmen zur Mehrheit von 16 Stimmen.
Rainer Ganske verwies zuvor als Wortführer der CDU aufs Angebot, dass die Erhöhung rechtfertige („Wir machen viel“) und griff damit den Ball auf, den ihm VVS-Geschäftsführer Stammler zugeworfen hatte: „Wir bemühen uns, ihre Vorstellungen zu erfüllen“. „In Tat erkennen wird, dass sich sie bemühen unsere Vorstellungen zu erfüllen.“ Bernhard Maier (Freie Wähler) fing kritisch an, weil die VVS-Einnahmen kräftig sprudeln, aber nicht so klar ist wohin: „Die DB Regio ist nach unsere Überzeugung der große Gewinner“. Er landete aber mit seinen Kollegen auch als Zustimmender. Und als Eva Mannhardt die kritische Linie der Grünen aus den Vorjahren fallen ließ, war klar, dass keine Mehrheit für einen Tarifstopp geben würde, obwohl die FDP die nötigen zwei Stimmen gebracht hätte. Die wäre aber notwendige Voraussetzung gewesen, dass es auf die Kreistage angekommen wäre.
Für die FDP-Fraktion war für ein „Nein“ auschlaggebend, dass die Leistungen vor allem im S-Bahn-Bereich keine Erhöhung rechtfertigten. In den letzten Monaten hatte sie vergeblich versucht, Mehrheiten für individuelle Entschädigungen von verspätungsgeplagten S-Bahnkunden zu finden. Das ist aber nicht durchsetzbar, „also bleibt nur alle weniger bezahlen zu lassen, sprich die Erhöhung abzulehnen“ (Serwani), was SPD (Thomas Leipnitz: „Die Schallmauer ist erreicht.“), Linke („Der Kunde wird durch weitere Baustellen drangsaliert“, Ingo Mörl) und AfD („keine zusätzliche Belastung“) in der Ablehnung zusammenführte.
Den standardmäßigen Verweis auf drohende Kosten, der in der VKA-Beratungsunterlagen ebenso zu finden ist, wie in allen Kreistagsunterlagen, die in den nächsten Tagen beraten werden, können Armin Serwani und Gudrun Wilhelm, nicht so recht ernst nehmen: „Uns wird erzählt, wir müssten den Unternehmen, die als sogenannte Verbundunternehmen-Gesellschafter die Tariferhöhung festlegen, den Ausfall bezahlen und könnten ohnehin nichts ausrichten. Wir hätten es gerne mal darauf ankommen lassen.“
Fakt ist, der Blick in den Gesellschaftsvertrag des Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH zeigt, der Vertrag definiert (in etwas komplizierten Juristendeutsch) eine Sperrminorität für die Gebietskörperschaften-Gesellschafter, sprich Region und Kreise, Land und Stadt Stuttgart. In der Gesellschafterversammlung können diese „… mit mindestens 50 v.H. der Stimmen der Gebietskörperschaften-Gesellschafter der mit den Stimmen der Verbundunternehmen-Gesellschafter beschlossenen Höhe der Tarifanpassung widersprechen und eine geringere prozentuale Tarifanpassung festlegen …“ (§10, Absatz 3 Gesellschaftsvertrag).
Die Anteile verteilen sich wie folgt: Land 7,5 Prozent, Stuttgart 7,5 Prozent, Region 20 Prozent, Kreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis je 3,75 Prozent gleich 50 Prozent der Gesellschaft. Das wurde bei der Gründung des Verbundes fein austariert, damit die öffentlichen Gesellschafter, die zahlen nicht von den Gesellschaftern, die kassieren, über den Tisch gezogen werden können. Das heißt auch: die regionalen 20 Prozent plus zwei Kreise mit zusammen 7,5 Prozent, hätten 27,5 Prozent und wären damit mehr als die erforderlichen 50 v.H. der 50 Prozent der Gesellschafter, die zahlen (= 25 Prozent).
Die Reglung bedarf allerdings nicht nur der Rechenarbeit, wenn’s drum geht, wer was kann und was nicht. Sondern auch der Rechenarbeit, was passiert, wenn die Gesellschafter, die zahlen mal nicht das zahlen oder die ÖPNV-Benutzer zahlen lassen möchten, was die Gesellschafter, die kassieren, haben möchten. Dazu sagt der schon zitierte §10, Absatz 3 Gesellschaftsvertrag: Dass „die Gebietskörperschaften, welche mit ihren Stimmrechten einen solchen Beschluss herbeiführen, den Verbundunternehmen die sich hieraus ergebenden Einnahmeausfälle ausgleichen müssen.“
Die Frage ist allerdings welche Einnahmeausfälle? Armin Serwani hat nach- und in der Sitzung vorgerechnet: Für 2015 hatte der VVS sich eine Tarifanpassung von 2,9 Prozent genehmigen lassen, die 13 Millionen Euro bringen sollte. Gestiegen sind die Einnahmen (natürlich auch dank zusätzlicher Kunden) um fast 25,7 Millionen Euro, also rund das Doppelte „und das geht schon seit Jahren so.“ Serwani („nach unserer Einschätzung ist das eine wirkungslose Drohkulisse“) wollte von VVS-Geschäftsführer Horst Stammler in der Ausschusssitzung deshalb wissen: „Wie errechnen sich denn „die sich daraus ergebenden Einnahmeausfälle“ und wie hoch ist der Betrag genau, den die Region zu tragen hätte, wenn sie eine Tariferhöhung ablehnt?“
Antwort gab’s dazu vor der Abstimmung vom VVS-Geschäftsführer keine. Die Antwort vom Verband auf die Nachfrage nach der Sitzung macht klar warum. Pressesprecherin Dorothee Lang: „ … gab’s bisher noch nicht. Es ist vertraglich nicht geregelt und es gäbe unterschiedliche Wege das zu berechnen“. Konsequenz für Kai Buschmann und die FDP-Regionalfraktion: „Wenn’s für diese Tarifrunde auch nichts mehr nutzt, weil die Kreise allein zu schwach sind, wir werden beantragen, dass die Geschäftsstelle ein Rechenmodell vorlegt, damit wir im nächsten Jahr in der Regionalversammlung und in den Kreistagen wissen, woran wir bei den VVS-Tarifen sind.“